Die vorliegende Forschungsevaluation des Historischen Instituts erfolgte aus Anlass von vier Emeritierungen im Bereich der Geschichte der Vormoderne in den Jahren zwischen Juli 2025 und Januar 2027 sowie weiteren sechs Emeritierungen zwischen 2028 und Januar 2033. Das stellt das Historische Institut im kommenden Jahrzehnt vor grössere strukturelle Veränderungen. Die Kommission zur Forschungsevaluation legte auf der Grundlage von Selbstberichten der verschiedenen Abteilungen, der Diskussionen im Rahmen einer ganztägigen Institutsretraite im Juni 2023 und der Berichte zur quantitativen Forschungsevaluation eine Analyse vor. Zusammen mit einem externen Gutachten von Prof. Dr. Ulrike von Hirschhausen, das an dieser Stelle herzlich verdankt wird, dient diese als Grundlage für die weitere Arbeit mit Blick auf die Stärkung der Forschung am Historischen Institut.
Das Historische Institut besteht seit der Gründung der Universität Bern im Jahr 1834. Am Institut erforschen und lehren elf ordentliche und ausserordentliche Professuren sowie sechs Dozenturen und rund 140 weitere Mitarbeitende auf unterschiedlichen Stufen ihrer akademischen Karriere die Geschichtswissenschaft in ihrer ganzen thematischen Breite und methodischen bzw. theoretischen Vielfalt. Die am Institut betriebene Forschung beschäftigt sich mit einem grossen Spektrum von Themen aus der Geschichte Europas und der Welt von der Antike bis zur Gegenwart. Zusammen mit den zahlreichen transregionalen Forschungsansätzen der mehrheitlich nach Epochen gegliederten Abteilungen bietet das Institut eine Forschungslandschaft, die aufgrund ihrer breit angelegten Expertise in der Lage ist, lokal-, national-, regional- und globalgeschichtliche Fragestellungen miteinander zu verbinden. Viele der Forschungsarbeiten des Historischen Instituts weisen dabei einen starken Bezug zur universitären Strategie 2030 auf, so insbesondere zu den Bereichen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie des interkulturellen Wissens.
Die Stärke des Historischen Instituts in Bern liegt neben der qualitativ hochstehenden Forschung in seiner inhaltlichen Breite als «Vollinstitut». Dadurch bietet die hier betriebene Forschung die Grundlage dafür, ein inhaltlich, räumlich, zeitlich und methodisch breites Geschichtsverständnis zu erarbeiten und zu vermitteln sowie aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen einer zunehmend als unübersichtlich erfahrenen globalen Gegenwart kritisch zu reflektieren und in grössere Zusammenhänge einzuordnen. Gerade in Zeiten, in welchen Informationen in einer grossen, aber oft auch fragmentierten Vielfalt vorhanden sind und sogenannte Fake News bzw. künstliche Intelligenz Gesellschaften vor neue Herausforderungen stellen und gesellschaftliche Polarisierung begünstigen, ist ein kritischer Umgang mit jeglicher Form von Wissen und die Fähigkeit zu umfassender gerade auch temporaler Kontextualisierung von grosser Bedeutung.
Abteilungsübergreifend verfolgt die Forschung am Historischen Institut zentrale gegenwarts- und gesellschaftsrelevante Fragestellungen und Forschungsansätze. Das spiegelt sich auch in den thematischen, in den meisten Fällen epochenübergreifenden Forschungsschwerpunkten, die hier nur schlaglichtartig angesprochen werden können. Zu den aktuell besonders intensiv erforschten Feldern gehören etwa die Geschichte der Umwelt, des Klimawandels und ökologischer Krisenerfahrung, die Geschichte von Mobilität und Migration, die Geschichte der Aussenpolitik, der internationalen Beziehungen und der Neutralität, die historische Friedens-, Gewalt-, Konflikt- und Militärforschung, die Geschlechter-, Familien- und Körpergeschichte, die Wissens- und Wissenschafts- sowie die Universitäts- und Bildungsgeschichte, die Geschichte sozialer Ungleichheit und des globalen Kapitalismus, die Geschichte des Politischen (mit Schwerpunkt auf Imperien als transregionale und epochale Herrschaftsräume sowie Aussenbeziehungen und Diplomatie im Sinne einer «new diplomatic history») sowie die historische Untersuchung von Religionskulturen, der jüdischen Geschichte sowie der Geschichte von globalem Katholizismus und «local Christianities». Die digitale Forschung sowie methodisch- kritische Ansätze zur Digitalisierung sind am Institut von zunehmender Bedeutung, wie verschiedene Projekte zeigen. Das Institut legt dabei grossen Wert auf eine interfakultäre Zusammenarbeit, die für alle Seiten einen erheblichen Mehrwert generieren kann.
Im Bereich der Drittmitteleinwerbung ist das Institut, wie auch das externe Gutachten unterstreicht, ausserordentlich erfolgreich. Gemäss den Daten des Bundesamtes für Statistik und den Berechnungen des Stabs der Universitätsleitung lag die Einwerbung von Forschungsgeldern pro Professur in den Jahren 2015-2021 im Verhältnis zu den Vollzeitäquivalenten stets stark über dem schweizerischen Durchschnitt. Das Historische Institut pflegt eine Vielzahl an internationalen und nationalen Kooperationen und Netzwerken, die sowohl in der Forschung als auch in der Lehre zur Geltung kommen. Für die nationale und internationale Sichtbarkeit des Historischen Instituts spricht auch die Tatsache, dass zahlreiche Mitglieder des Instituts in nationalen und internationalen Fachorganisationen aktiv sind oder als Gutachter*innen für in- und ausländische Förderinstitutionen, Fachzeitschriften oder Verlage tätig sind.
Zahlreiche Mitarbeiter*innen des Historischen Instituts engagieren sich in der ausseruniversitären Vermittlung ihrer Forschungsergebnisse und adressieren mit ihren Publikationen eine breitere Öffentlichkeit. Sie klären über die historischen Ursachen von Gegenwartsphänomenen auf, sie wecken Interesse für historische Themen in der Zivilgesellschaft und bieten im öffentlichen Diskurs gesellschaftliches Orientierungswissen an. Das Institut nutzt dafür nicht zuletzt jene Möglichkeiten, die aus der Digitalisierung erwachsen und die uns die sozialen Medien zur Verfügung stellen.
Mit Blick auf die Zukunft dürfte es bedeutsam sein, die Rolle der Digitalisierung für die historische Forschung weiterzudenken. Dies betrifft sowohl den Umgang mit digitalen Ressourcen (Quellen, Datenbanken, Daten) als auch den Umgang mit Textgeneratoren, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Auf Institutsebene sollen Forschungscluster die Vernetzung und Kooperation zwischen Forschenden aus verschiedenen Abteilungen und Zeitbereichen weiter stärken. Im Bereich der Nachwuchsförderung sollte das Institut Möglichkeiten eruieren, wie es die Anzahl der Qualifikationsstellen unter Berücksichtigung der von der Universität vorgegeben Beschäftigungsbedingungen wieder steigern kann. Der Idee der Gutachterin, unbefristete Stellen nach der Emeritierung in befristete Qualifikationsstellen umzuwandeln, steht die Kommission kritisch gegenüber. Es ist nach Ansicht der Kommission eine wesentliche Stärke der Universität Bern, dass mit den Dozenturen feste Stellen unterhalb der Ebene Professur existieren. Zudem sollte die Verteilung von Lehr- und Verwaltungsaufgaben diskutiert werden, da diese einen direkten Einfluss auf die zur Verfügung stehende Forschungszeit hat. Die Vorschläge der Gutachterin, den Forschungsoutput durch die Unterstützung von Forschungsfreistellungen und durch die gezielte Aufforderung, externe Fellowships einzuwerben, zu erhöhen, begrüsst die Kommission sehr. Die Kommission teilt die Skepsis der Gutachterin gegenüber einer allzu starren Festlegung eines institutsweiten Forschungsprofils und stimmt mit der Gutachterin überein, dass es produktiver ist, wenn Nachwuchsforschende und Antragssteller*innen für Drittmittel Forschungsthemen und Kooperationen selbstständig erarbeiten können. Die Untervertretung von Frauen auf der Ebene Professur ist ein Manko, das auch vom Institut erkannt wird. Es wird die Aufgabe der entsprechen Anstellungskommissionen sein, diesen Punkt bei den Neuberufungen in den nächsten Jahren im Auge zu behalten.